In jedem Ende wohnt ein neuer Anfang

Nach meinem ersten Besuch bei Franziska war für mich klar, das war nicht mein letzter Besuch in ihrem Refugium. Deshalb folgte ein Zweiter  und im Oktober 2018 sollte es vorerst mein letzter Besuch bei ihr sein.

Teil 3 des Portraits über Franziska.

Es waren nicht mehr als diese drei Fotoreportagen geplant. Ich weiß auch nicht warum ich diesen Bericht so lange nicht bearbeitet habe. Immer war irgendwas anderes. Und nun, wenn ich diesen Bericht schreibe, gibt es diese kleine Welt, im Hinterhof neben dem Werk II in Connewitz warhscheinlich schon nicht mehr.

Portrait

Oktober 2018. Wir hatten den ursprünglichen Termin vom Sommer auf den Herbst gelegt. Der Sommer war einfach zu heiss, um dieses Shooting zu machen.

Geplant war ein „Kostüm Shooting“. Natürlich hatte Franziska unendlich viele Klamotten „gerettet“, genauso wie viele andere Dinge, die man bei ihr auf dem Hof ihrer Werkstatt findet. Man kann es vielleicht noch „gebrauchen“ und in irgendeine Skulptur einarbeiten.

Am Ende waren es gar nicht so viele Klamotten die wir wirklich für das Shooting benutzen. Es war im Oktober immer noch warm genug. Die Fenster standen offen, ein schönes warmes Licht beleuchtete das Zimmer.

Franziska

Sie begann sofort mich in ihre Welt zu ziehen und zeigte mir was so alles in ihrem Reich zu finden ist. So hat sie ihre Tattoos erst mal auf dem kopflosen Mann testweise angewandt bevor sie das Tattoo hat bei sich selbst stechen lassen. Neben allerlei Dingen die in jeder anderen Wohnung definitiv nicht vorhanden sind findet man Kabel in jeder Länge und Farbe, Betonfundamente und Hochhäuser neben güldenen Täschchen.

Franziska

Ein traumhaft schöner, alter Kachelofen in der Ecke sorgt im Winter für wohlige Wärme. Allerdings muss man auch dazu sagen, dass das Haus in dem sie wohnt nicht gerade als vollsaniert bezeichnet werden kann. Eigentlich ist gar nichts saniert. Einfach verglaste und uralte Fenster. Wenn der Ofen angeheizt werden soll bedeutet das, Kohlen oder Holz aus dem Keller holen. Am Tag danach – Asche aus dem Ofen entfernen. Aber dennoch – der Ofen ist superschön.

Die Wohnung – genauso ungewöhnlich wie Franziskas Kunst. Die Einrichtung – für jeden „Normalo“ nicht akzeptabel. Für mich als Fotograf ein Traum. Franziska suchte ihre „Schätzchen“ zusammen und ich hatte Gelegenheit und durfte mich ein wenig in ihrer Wohnung umschauen.

In allen Räumen ist Franziskas Kunst zu sehen. Auch wenn sie sagt, dass das ja alles nur aus ihren Anfängen und Studienzeiten sei. Für mich ist es trotzdem faszinierend anzuschauen. Hier ist von ihrer Eisenkunst noch nichts zu sehen.

Allerdings, irgendwie hat sie schon immer ein wenig mit der "dunklen Seite" geflirtet.

Ein kreatives Chaos. Aber irgendwie liebenswürdig. Die Dinge in ihre Wohnung hatten oder haben alle ihren Sinn – oder vielleicht auch manchmal nicht, und sie sind einfach nur dort stehen geblieben. Aber möglicherweise ist es diese Umgebung die kreative Geister brauchen?

Im Zimmer nebenan konnte ich geanu das finden.

Die Motive sprangen mir regelrecht in die Kamera.

Dieses Stillleben hatte es mir besonders angetan.

Im Korridor Franziskas hauptsächlich in schwarz gehaltenen Klamotten. Unmittelbar daneben ein riesiges Bücherregal mit vielen wissenschaftlichen Büchern. Das hat mich dann doch ein wenig überrascht. Ich wusste, dass Franziska durchaus belesen ist, aber mit dieser Menge an Literatur hatte ich dann doch nicht gerechnet.

Natürlich, während ihres Studiums der Kulturwissenschaften, Politikwissenschaften, Philosophie und Journalistik hat sie in den verschiedensten Ecken der Uni in Leipzig Staub gewischt und sich somit ein entsprechendes Wissen angeeignet. Medienwissenschaften an der HGB Leipzig kamen noch dazu.

Ich merkte, trotzdem ich Franziska bereits durch die anderen beiden Reportagen kennengelernt hatte, wie schnell man trotzdem in Vorurteile verfällt und einen Menschen in eine bestimmte Schublade einordnet.

Nach einiger Zeit gingen wir in die „Alte Fabrik“. Ich berichtete ja bereits davon. Inzwischen hatte man auf dem Nachbargrundstück ein großes Wohnhaus errichtet. Schon im letzten Jahr war mir durch den Kopf gegangen, dass das vielleicht mal ein Problem für Franziskas Werkstatt und die „Alte Fabrik“ werden könnte.

Hier hatte sich im Verhältnis zum Vorjahr schon wieder eine ganze Menge verändert. Die Raumaufteilung war geblieben, aber die Anordnung und der Inhalt hatte sich verändert. Im schwarz-weiß Bereich ist es im Verhältnis zum Vorjahr inzwischen richtig wohnlich geworden. Und hier hatte Franziska auch gleich ein genau dazu passendes Outfit gefunden.

Mein Eindruck war, dass sich Franziska hier sehr wohl fühlt. Es war zu spüren, dass die sonst mit harten Eisenskulpturen hantierende junge Frau jetzt auf einmal ganz andere, weiche und sensible Züge bekam. Das war schon fast zärtlich wie sie mit dem Greifvogel spielte. Der Blick, wie eine innige Beziehung zu diesem Tier. Das warme, weiche, durch die Fenster fallende Licht gab der Situation einen nahezu intimen Anschein.

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Gleich darauf war sie wieder da, die lachende, rumalbernde junge Frau, immer mit einer total schrägen Idee im Kopf.

Ich hatte den Eindruck, dass ich heute Franziska ein wenig näher kam als die beiden Male zuvor. Sie zeigte mir ihre weibliche Seite. Deshalb nutzte ich als Portraitfotograf sofort die Gelegenheit von FrÄnzes, Franz, Fruppy, Fruji, Franka, Fränni, Frances, Frau Dr. Faust, Mephista, oder wie sie sonst noch genannt wird einige Portraits zu machen. Für mich ist sie Franziska.

Portrait Franziska

Sie wird es nicht gern lesen, aber einem Model gleich poste und spielte sie jetzt mit der Kamera.

Gut, das T-Shirt hat seine eigene Entstehungsgeschichte. Aber die ist eher nicht ganz jugendfrei. Die, die an der Enstehung beteiligt waren und den Blogbeitrag lesen werden das T-Shirt und die Geschichte dahinter kennen.

Keine Ahnung woher sie diesen Mantel hat. Das Posing vor dem Regal der Kuriositäten passte hervorragend. Auch hier wieder ihre weibliche, weiche Seite. Ein bisschen Unsicherheit ist noch in den Augen zu sehen. Aber nur gelegentlich.

Portrait
Portrait

Dann war es mit der Modelei vorbei. Franziska brauchte wieder etwas Hartes um sich herum. Wenigstens harte Musik. Seit dem letzten Jahr hatte sich auch ihre Musikanlage mindestens verdoppelt. Ok, ob hiervon alles technisch funktioniert glaube ich nicht. Aber der Anblick ist wirklich beeindruckend.

Die Musik war RICHTIG laut.

Ein harter Rhythmus. Headbanging. Die Haare flogen – pure Lebensfreude

Nach einiger Zeit wurde sie dann doch wieder etwas ruhiger und flirtete wieder mit der Kamera.

Ich bin mir sicher, Franziska würde auch als Model Erfolg haben.

Portrait Franziska

Vielleicht lag es an der Musik oder halt an der schon fortgeschrittenen Zeit, ihr Bruder im Geiste kam wieder mal vorbei. Klar musste es auch mit ihm noch ein paar Bilder geben. Schließlich war er schon in der ersten Story dabei.

Beide sind auf einer Wellenlänge. Rumalbern und Quatsch machen mögen die Kinder eben alle gern.

Es hätte mich natürlich gewundert wenn das der einzige Besucher am heutigen Tag gewesen wäre. Ein anderer Kumpel mit seinem Hund stand plötzlich im Raum. Der Kumpel selbst wollte nicht, aber der Hund musste schon mit aufs Bild.

In der inzwischen auch fertig gestellten kleinen Szeneecke fand dann das Shooting mit Franziska sein Ende. Und auch hier merkte ich, dass Franziska durchaus Fähigkeiten zum Modeln hat. Ich war beeindruckt eine weitere unbekannte Seite an ihr entdeckt zu haben.

Wie immer wenn ich bei Franziska bin vergeht die Zeit wie im Flug. Und ich wusste, das ist unsere voraussichtlich letzte Story.

Ich möchte mich bei Franziska bedanken für die Zeit in der ich ein klein wenig in ihre Welt eintauchen durfte. Natürlich war es nur relativ oberflächlich. Für mich als Fotograf aber war es spannend in solch eine Location zu kommen. Ich danke dir Franziska, dass ich dich ein klein wenig kennen lernen durfte.

Epilog

Wie zu Beginn bereits erwähnt, jetzt, wenn ich diesen Bericht schreibe, gibt es diese kleine Welt, im Hinterhof neben dem Werk II in Connewitz wahrscheilich nicht mehr. Bleiben werden die Geschichten und Bilder, sowie die Erinnerungen vieler junger Leute die diese kleine Welt in Connewitz kennen gelernt haben. Aber, tot gesagte leben länger. Mal sehen was die Zukunft bringt.

Zu Beginn des Jahres 2019 bekam Franziska die Kündigung für ihre Werkstatt und die Alte Fabrik. Im Moment weiß ich nicht wie der aktuelle Status ist. Es ist traurig und macht wütend, wenn immer mehr solche alternative Location verschwinden, oder besser gesagt vertrieben werden. Natürlich kann ich auch die Stadt verstehen. Aber was einmal weg ist kommt so nicht wieder.

Ich lebte viele Jahren in der Schweiz. Dort gibt es solche Location wie noch in Leipzig nicht. Wenn überhaupt, dann ziemlich wenig und versteckt. In der Schweiz ist alles clean und sauber, regelrecht steril. Aber genau so etwas was es in Leipzig noch gibt macht eine Stadt aus, lebenswert, vielfältig, liebenswürdig und anziehend.

Die Hoffnung stirbt zum Schluss

p.s.: Falls jemand an irgendeiner Stelle Werbung vermutet, so muss ich ihn enttäuschen. Das ist weder beabsichitgt noch gewollt. Die einzige Werbung die ich mache und wofür ich in diesem Blogbeitrag auch stehe ist einzig und allein Franziska und ihre Kunst.